„Ein Mann, sein Pferd und sein Hund“

Ermüdungserscheinungen traten beim Lesen des zwölften Falls von Martin Walkers Bruno-Chef-de-Police-Reihe bei mir auf. Bisher war meine Vorfreude nach Beendigung des jeweils aktuellen Romans groß. Kaum war das Buch draußen, meist um die Liegestuhlzeit des Jahres, wurde es goutiert. Diesmal, trotz Liegestuhl, gelang es nicht. Dröge erschien mir der Wiedereinstieg in Bruno Courrèges beschaulich ländliches Dasein im bezaubernden Périgord. Die mäandernde Erzählweise nicht mehr charmant sondern bräsig. Die politischen und gesellschaftlichen Betrachtungen früherer Zeiten und Kriege Frankreichs, enervierend angesichts der derzeitigen politischen Lage. Vielleicht ist dies der virusbedingten kurzzeitigen Entschleunigung zuzuschreiben, die der Tiefenentspannung beim Wiederbetreten der Welt des Bruno Courrèges entgegenstand.
Martin Walkers kriminalistisch und historisch angehauchtes „Soulfood“ löste Unwillen aus. Ich habe das Buch für eine Weile weggelegt, mit der Absicht, es unfertig gelesen in die Stabi zurückzutragen. Aber als treue Leserin von Beginn an und, nachdem eine Lesefreundin und Mitbegeisterte wieder mit Vergnügen durchs Pèrigord des Protagonisten streifte, wiederaufgenommen, um zu erforschen,  woher die Unlust kommt.




Da wäre zum einen der tapfere, sportliche Ermittler edlen Gemüts, der als „begehrtester Junggeselle“ der Kleinstadt Saint Denis dargestellt wird, tatsächlich aber den Traum von Frau und Kind mit entspanntem Landleben hegt und nie zu Potte kommt, weil er zwar als Frauenversteher im Sinne Freuds: „Die große Frage, die ich trotz meines dreißigjährigen Studiums der weiblichen Seele nicht zu beantworten vermag, lautet: „Was will eine Frau eigentlich?“ dargestellt wird, was aber so unerträglich oldschool und deprimierend ist, dass es ein wenig albern rüberkommt.


Autor Martin Walker ist 1947 geboren, er kann womöglich nicht anders, dabei gibt er sich wirklich Mühe. Brunos Amouren sind „verzwickt“ und er lässt den Chef de Police den Damen zu Willen sein. Sehr bemüht modern, aber auch ein wenig blöde. Hier verkörpert der clevere Ermittler bestens das Klischee vom Mann, der sich von seinem Genital leiten lässt, nur verbrämt durch ein wenig Schliff und Kultur. Bruno wirkt in „Connaisseur“ oft wie ein treuer Hund mit heraushängender Zunge, der auf Leckerlis wartet.


Schmackhaftes vermag der Gute selbst in Fülle zu produzieren, kocht er doch gerne für seine FreundInnen, ist hilfsbereit und umsichtig sowohl im Job, wie auch in der Küche, wo minutiös mit Eieruhr geschildert wird, wie seine Gerichte, deren Zutaten er oft erjagt, selbst anbaut oder von befreundeten Jägern überreicht bekommt, zustande kommen. Ausgiebigst zelebriert wird französische Kochkultur. Unzweifelhaft ist Martin Walker ein hochgradiger Verehrer der Küche und der Weine des Pèrigord. In dem „Zum Gedenken an Josephine Baker, Die schwarze Perle und Résistance-Heldin“ gewidmeten vorliegenden Roman, der diesen Teil der französischen Geschichte ein wenig beleuchtet, ist mir die Zelebriererei zu viel geworden. (Die Zwiebeltarte werde ich aber mal ausprobieren😉. ) Ennuie durch den gesamten Roman, auch der Kriminalfall, der bei Walkers Bruno-Reihe immer verlässlich den roten Faden für seine Schilderungen aus Leben, Land, Leuten, Historie und Politik abgibt , war diesmal kein Sogerzeuger.


„Die Zeit verstrich. Ein milder Wind raschelte im frischen Laub. Ab und zu taumelte wie betrunken eine Hummel vorbei.“


Adieu Bruno, war schön, die gemeinsame Zeit ist vorbei.
Ein verunstaltetes Robert Gernhardt Gedicht* (sorry Meister!) wird zum Fazit.
– Bleib weg von mir Verlässliches, du hast tief drin was Hässliches –


*“Dich will ich loben Hässliches, du hast sowas Verlässliches„.

Eine deutlich positivere Besprechung findet ihr übrigens bei Bri.

Connaisseur von Martin Walker ist im April 2020 als Hardcover bei Diogenes erschienen. Weitere Informationen bei Klick auf das Cover oder auf der Verlagsseite.

 

7 Gedanken zu “„Ein Mann, sein Pferd und sein Hund“

  1. Ja, den Satz hab ich auch – naja, weggeschluckt. Da dachte ich auch, holla die Waldfee, aber ich glaube auch, dass das was mit Fronkreich zu tun hat 😉 – aber wie gesagt, ich hab den Fokus auf anderes gelegt 😉

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  2. Ja das mit den Frauen zog sich immer hin, aber der Tonfall Walkers hier wird immer „Weiblichkeitsmystischer“ er glorifiziert sie praktisch um dann so gönnerhafte Sätze rauszuhauen, wie dass den Mädels de Bruno das Reiten, Pilates und Tennisspielen guttut weil es ihre Figur ansehnlicher macht … ne, das war schon in den vorherigen Romanen so, aber jetzt hat er noch einen draufgesetzt … oder ich bin unduldsamer geworden … Er arbeitet die Gecshlechterklischees sauber raus. Klar 47 geboren, bei dieser Sozialisierung, davon befreit man sich nicht so schnell, aber Walker versucht sich modern zu geben und da scheitert er recht grandios, wobei man auch unterstellen könnte er skizziert die aktuelle Geschlcechterdebatte, aber das glaube ich nicht. Mich hat es einfach genervt, es war nicht unterhaltsam sondern altmodisch und einschläfernd

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  3. naja, Bruno ist eben Bruno – und so, wie er dargestellt in Connaisseur dargestellt wird, war er schon immer. Für mich hat sich da nicht viel verändert. Aber man kann das schon krtisieren, keine Frage. Die Kriminalfälle sind meist recht konstruiert. Ich hätte auch gedacht, dass es tatsächlich noch irgendwie auf etwas anderes hinausläuft, aber für mich war es tatsächlich einfach eine schöne, gewohnte Lektüre zur Entspannung, wie immer. Keine hohe Literatur, aber verlässlich. Wobei mir das Frauenproblem schon auch auf die Nerven geht … LG

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  4. Aye, ja, hab vergessen Bri s Besprechung zu verlinken, das hole ich gleich nach. Deswegen war mir diese Besprechung auch wichtig, immerhin liebte ich die Chef de Police Romane schon seit Bruno noch gar nicht Chef war. Aber deismal, war der Wurm drin und dabei habe ich gar nicht über den Kriminalfall geschimpft, obwohl auch der nur halbgar, weil mit sehr konstruiert war. Aber das ist es nie gewesen was mir bei Krimis wichtig ist. Diesen heftigen Widerwillen beim Lesen einer Reihe nach immerhin elf Jahren wollte ich gerne mitteilen,

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  5. Da sieht man mal wieder, wie unterschiedlich Frau lesen kann … wir hatten ja schon drüber gesprochen. ich überlese das bei so einem Buch, das soll mich eine Zeit lang unterhalten und für mich war es wie Urlaub, nach den anderen Büchern, die ich vorher gelesen hatte, deshalb bin ich da wohl weniger kritisch. Aber ich kann das alles nachvollziehen. LG, Bri

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