Ein wahrer Kenner

Claudia, eine junge Amerikanerin aus gut betuchtem Haus, die seit einiger Zeit in St. Denis lebt, um im Rahmen ihres Studiums auf dem Anwesen eines bedeutenden Kunsthistorikers, ehemaligen Résistance-Mitglieds und Confrères in der Wein- und Trüffelgilde, in der auch Bruno seit kurzem stolzes Mitglied ist, zu recherchieren, wird vermisst. Nach dem Besuch eines Vortrages über Altertumsforschung in und um Limeul im dort gelegenen, ehemaligen Schloss von Josephine Baker, der berühmten Tänzerin und ebenfalls Résistance-Heldin, fehlt von Claudia jede Spur. Sie hatte den Vortrag als Einzige vorzeitig verlassen, weil ihr den ganzen Tag schon unwohl war. Als Bruno bei seinen Untersuchungen und Befragungen auf dem Schlossgelände dem Miauen einer Katze nachgeht, findet er auch Claudia …

Ich folge Bruno Courreges nun schon zum zwölften Mal bei der Aufklärung eines Verbrechens in eine der schönsten Gegenden, die ich je besuchen durfte. Und jedes Mal finde ich es beneidenswert, wie sicher sich sein Erfinder in den Bereichen Politik, Geschichte, Kunst und Kultur sowohl Frankreichs, als auch international bewegt und so ganz nebenbei noch das Leben im Périgord und manches höchst interessante Randthema mit einflicht. Dass dabei die Aufklärung des Verbrechens eher unblutig, zwar interessant und dadurch spannend, für Hardcore-Krimileser*innen allerdings eher zu unspektakulär, von statten geht, ist mir persönlich nur recht.

Dieses Mal hat Walker seinen mit Connaisseur betitelten Roman dem Gedenken Josphine Bakers gewidmet. Wer diesen Namen hört und heute noch etwas damit verbinden kann, denkt wahrscheinlich vor allem an ihre legendären Auftritte im Bast- beziehungsweise Bananenröckchen und weniger an ihr Engagement innerhalb der Résistance. Doch tatsächlich hat Josephine Baker auf Schloss Les Milandes 1938 gemietet und 1947 gekauft. 1950 adoptierte sie (sogar mit dem Segen des Papstes) 12 Kinder aus Waisen- und Armenhäuser von fünf Kontinenten, mit denen sie dort lebte und setzte damit ein starkes Zeichen gegen Rassismus jeglicher Art. Sie selbst bezeichnete sich und die Kinder als „Regenbogenfamilie“ und lebt auf dem Schloss manchmal unter schwierigen finanziellen Verhältnissen. Ihre Arbeit für die Résistance und den französisches Geheimdienst brauchte ihr nach dem Krieg die Aufnahme in die Ehrenlegion ein.

Auch eine der im Zentrum von Brunos Ermittlungen stehende Person, M. de Bourdeille, war Résistance-Mitglied. Bruno kennt ihn als den ältesten der Confrères einer Gilde, die es sich zum Ziel gesetzt hat, regelmäßig herausragende Weine und Trüffelprodukte der Gegend zu prämieren. De Bourdeille ist allerdings noch viel mehr. Als Kunsthistoriker hat er aufgrund seltener Dokumente, Zuschreibungen für Gemälde vorgenommen, die bisher nie in ihrer Richtigkeit angezweifelt wurden. Bis Claudia auf den Plan trat. Doch wie sollte ein alter, in Rollstuhl sitzender Mann etwas mit ihrem Verschwinden zu tun haben, zumal sich die beiden tatsächlich gut verstanden und de Bourdeille Claudias scharfen Verstand sehr schätzte. Bruno hat wie immer den richtigen Riecher, weiß wie er seine Verbindungen einsetzen muss und deckt den Fall mit Hilfe seines Netzwerkes auf.

Auch in seinem zwölften Fall bleibt Bruno ein Verfechter von Gerechtigkeit und St. Denis eine auch für Fremde offene Gemeinschaft, die sich füreinander einsetzt. Gerade in Zeiten wie den unseren ist es schön, zu wissen, dass es so etwas gibt. Und das – so hat Walker ja bereits mehrfach bestätigt – ist im Périgord der Fall, auch wenn St. Denis ein fiktiver Ort ist, so ist das Vorbild dafür doch ein echtes. Genauso wie viele Personene aus Walkers Romanen, denen er Züge und Eigenschaften seiner Freunde verlieh. Ich glaube, ich habe es schon einmal gesagt, aber auch dieses Mal war die Lektüre quasi ein kleiner Urlaub und gleichzeitig wie ein Nachhausekommen – und dabei nie langweilig. Jedenfalls für mich. Ich bin gespannt auf den nächsten Fall, den Bruno lösen muss und freue mich schon jetzt darauf.

Connaisseur von Martin Walker ist im April 2020 im Diogenes Verlag erschienen. Für mehr Information dazu mit Doppelklick auf das im Beitrag abgebildete Cover oder auf der Verlagsseite.

Ein Gedanke zu “Ein wahrer Kenner

  1. Pingback: „Ein Mann, sein Pferd und sein Hund“ | Feiner reiner Buchstoff

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..