Ausgeliehen

9783548611341_coverGute Bücher können das Leben verändern, einen Stups in die richtige Richtung geben oder einfach nur warmherzig, herzerwärmend und humorvoll sein. CHARMANT.
„Ausgeliehen“ ist letzteres. Es ist nicht der große Knaller, eher schleicht es sich auf sanften Pfoten, respektive Wörtern in die Herzen der Leser und streichelt ihre Seele.
Zudem speist sich der Charme dieses Buchschätzchens ein wenig aus der Fähigkeit der Leser, literarische Anspielungen zu verstehen. Nicht die hochliterarischen, wobei auch hier etwas dabei ist, sondern das so gern unterschätzte Genre der Kinder- und Jugendliteratur. Unterschätzt und trotzdem doppelt wichtig, weil Kinder sich über dieses Genre eigene Welten erobern, Horizonte erweitern und damit lernen ihren Lebensweg zu erobern.

Die Frage, ob Bücher einem das Leben retten oder es zumindest verbessern können, steht hier im Mittelpunkt. Wir als Lesejunkies können das nur vehement bejahen.
Die Macht die Büchern zugeschrieben wird ist stark in diesem Buch. Das Bewusstsein bestimmt hier das Sein. Ist Resilienz durch Bücher zu erreichen? Darüber darf sich jeder Leser sein eigenes Urteil bilden. Diejenigen die Bücher zensieren und verbrennen glauben daran.

Kann man Lebensumstände, außer den eigenen, wirklich ändern? Hat es einen Sinn, wegzulaufen? Vor etwas, das man nicht einmal richtig benennen kann, was man nur vermutet und nicht weiß, aber dennoch unerträglich findet? Manchmal wird einem eine solche Entscheidung abgenommen. So geht es auch der jungen Bibliothekarin Lucy, die einen besonderen „Freund“ glücklicher sehen möchte. Ian, dessen Mutter ihm nur Bücher mit christlichen Werten; „Gottes Atem“; aus der Bibliothek erlaubt. Ja soweit geht, von den Bibliotheksangestellten Zensur vor Ausleihe an ihren Sohn zu fordern.
Ian, der mit zehn Jahren bereits als schwul „erkannt“ wurde, infolgedessen nicht mehr mit Mädchen spielen darf und christlich therapiert wird in der Gruppe von Pastor Bob, fühlt sich augenscheinlich – zumindest für Lucy – nicht wohl in seiner Haut. Es gibt keine wirklichen Anzeichen für Gewaltanwendung, nur kleine Verdachtsmomente. Aber ein glückliches, in geistiger Freiheit aufwachsendes Kind verhält sich anders.
So wird Lucy getrieben, mehr fremd- als eigensteuert, Ian zu retten. Vor dieser Welt in der er leben muss, vor Pastor Bob und seiner Mutter. Lucy, deren freiheitsliebender russischer Vater (auch eine dieser wunderbaren Nebenfiguren die „Ausgeliehen“ zu einem Buch Praliné kreieren ) sie so geprägt hat, dass sie nicht anders handeln kann.

„Es hatte mich schon immer gestört, dass Fundamentalisten, wenn man mit ihnen über die Rechte von Schwulen oder über Abtreibung oder Sterbehilfe diskutierte, damit argumentierten es gäbe kein absolutes Recht. Ich glaube allerdings schon an ein absolutes Recht, nur eben nicht an ihres. Ich glaube nicht, dass die universellen Wahrheiten in einer Sammlung aramäischer Gesetze über Feldwirtschaft, Zyklusblutung und Kopfbedeckungen enthalten sind.“

Nicht nur die Frage, ob oder inwiefern Bücher Leben retten oder zumindest den Blick für andere Lebenswege schärfen können wirft Rebecca Makkai auf und beantwortet sie zunächst mit einem entschiedenen Jein. Das Jein zeigt sich vor allem darin, dass Makkai ihre liebenswerte junge Protagonistin völlig ziellos durch die Welt gehen lässt – auch dann, als sie mit Ian unterwegs ist. Ian ist es, der die Richtung vorgibt. Lucy lässt sich treiben in diesem Roadmovie – das kann ein wenig Leserunmut hervorrufen, macht Lucy sich doch schon lange Gedanken darüber, wie sie Ian helfen könnte, selbst kann sie sich gar nicht helfen auch nur ansatzweise ihr Leben in in eine Richtung zu bringen.
Ausgeliehen handelt aber auch davon, wie sehr wir bereit sind, Realitäten anzuerkennen, wie lange Dinge, die wir getan haben, deren schreckliche Auswirkungen nicht abschätzen konnten, uns belasten und ob es ein Davonlaufen wirklich geben kann. Manchmal aber ist das Davonlaufen der einzige Weg, zu einer Antwort und einer tatsächlichen Veränderung finden zu können.
Rebecca Makkai hat all diese Themen in ihrem feinen kleinen Roman auf humorvolle, unterhaltsame Weise, leicht, nicht seicht, sondern schön fluffig, zur Freude der Leser miteinander verquickt.

Buchdetails:

 

 

 

 

 

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