Robinson und Freitag auf Hiddensee

KrusoEdgar (Ed) Bendler ist ein vielversprechender Student im Osten von Deutschland Anfang 1989, einer, der Lyrik und Literatur aufsaugt, als seine Freundin G. von einer Strassenbahn tödlich erfasst wird. Er flüchtet sich nach Hiddensee, eine Insel, die seit jeher an der Grenze steht, ein Grenzfall ist, ihre eigenen Regeln hat. Er lernt dort bei der Gaststätte Klausner Kruso kennen, der von Eds Auftauchen geträumt hat, wie weiland auch Robinson von Freitag. Zwischen beiden entwickelt sich eine poetische und zaghaft homoerotische Verbindung, die sanft angedeutet wird.

Die ‚Eskaas‘, die Bediensteten der wenigen Gaststätten auf Hiddensee, haben Arbeit und kümmern sich um die Schiffbrüchigen, die Arbeit suchen und auf Hiddensee gestrandet sind, im wahrsten Sinne des Wortes sich verstecken. (Hidden-see) Ed hilft in der Küche aus und beginnt einen anstrengenden Rhythmus mit seinen Mitstreitern.

Kruso beschreibt die letzten Tage der DDR, mit einem nostalgischen Blick. Wer einen politischen Roman erwartet, wird enttäuscht; die Politik wird nur angedeutet, in verborgenen, verdeckten Sätzen, Blicken, Auftritten, Szenen mit Soldaten, Stasimitarbeitern, nein, Politik ist nicht das Hauptthema hier. Sehr schön geschildert sind die sehr rauen Arbeitsbedingungen der Eskaas, die dadurch untereinander zu einer verschworenen Gemeinschaft mit ihren Ritualen finden. Dabei geben solche Ereignisse wie das tägliche Essen einer Zwiebel zu einer bestimmten Uhrzeit dem Handelnden einen Nachdruck, der ihn der Gruppe zugehörig macht. Jeder hat seine Geschichte, von der wir aber im Einzelnen nur über Edgar und Kruso hören. Aber auch diese beiden bleiben seltsamerweise undeutlich, verwaschen – eine richtige Beziehung zum Leser ergibt sich durch die vage Sprache nicht.

Die Sprache. Die Sätze werden meist zu bedeutungsschwangeren und hinderlichen Bausteinen, die eine Wichtigkeit vorspiegeln, die die Geschichte zu einer sperrigen Angelegenheit macht. In jeder Beschreibung, in jedem Dialog lauert diese Relevanz und sperrt den Leser aus, versiegelt die Hiddensee-Landschaft unter den so aufgetürmten Adjektiven. Es schimmert hinter dieser Kunst durchaus auch etwas Normalität hervor. Die Einfachheit des DDR-Lebens, das sich Abfinden mit den Umständen, das Suchen der Alltäglichkeit, die Stabilität des Augenblickes, in einer Umgebung, die die Freiheit nur vorgaukelt, dadurch, dass das dänische Festland zwar gesehen, aber durch 50 km Ostsee fast unerreichbar ist.

Poetisch verglichen habe ich diese lyrischen Sätze mit dem im Buch beschriebenen Abflusslurch (eine Wortschöpfung Seilers), den ein jeder kennt und der das Wasser hindert, im Waschbecken abzufließen, der an dem Abflussgitter des Abflussrohres der Gaststätte hängt und alle Haare, Wörter aufnimmt und zu einem kunstvollen, aber unentwirrbaren Geknäuel verwebt. So wird dieser Lurch für den Leser zu einem beschwerlichen Weg. Das Ende hält ein paar schöne Parallelen zu der Befreiung Robinsons bereit, hier zeigt sich, wie gut Seiler auch seine poetische Kraft mit der Erzählung vereinigen kann, die leider viel zu wenig im sonstigen Buch aufblitzt. Nominiert für den Deutschen Buchpreis und eines der sechs Bücher auf der Shortlist.

Meine Meinung: zu sperrig und beschwerlich für den Massengeschmack und zu literarisch gewollt für eine gute Geschichte.

Buchdetails

  • Aktuelle Ausgabe : 06.09.2014
  • Verlag : Suhrkamp Verlag GmbH
  • ISBN: 9783518424476
  • Fester Einband: 484 Seiten

 

Ein Gedanke zu “Robinson und Freitag auf Hiddensee

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